## VR und die japanische Idol-Branche: Eine neue Dimension der Fan-Interaktion
Die japanische Musikindustrie, insbesondere die Idol-Szene, ist traditionell stark auf die physische Verbindung zwischen Fans und Künstlern ausgerichtet. Konzerte in kleinen Live-Häusern, Meet-and-Greets oder Autogrammstunden sind entscheidend, um eine persönliche Bindung aufzubauen. Es ist daher keine Überraschung, dass die Branche nun VR aktiv einsetzt, um diese Beziehungen weiter zu vertiefen – jedoch auf eine Weise, die sich von westlichen oder K-Pop-Ansätzen unterscheidet.
### VR im japanischen Musikbereich: Mehr als nur Konzerte
Während K-Pop-Künstler VR oft für personalisierte Konzert-Erlebnisse nutzen, konzentriert sich die japanische Szene darauf, die Interaktion und Nähe zum Künstler zu verstärken. Dies zeigt sich in verschiedenen Anwendungen und Plattformen:
* **Sanrio Virtual Music Festival:** Seit 2021 bringt Sanrio (bekannt für Hello Kitty) seine Musikfestivals in die virtuelle Welt, oft in VRChat. Diese Events bieten eine Mischung aus kostenlosen und kostenpflichtigen Performances von virtuellen Künstlern wie Kizuna AI oder den Sanrio-Maskottchen selbst. Sie ermöglichen sowohl Mobile- als auch VR-Nutzern ein immersives Live-Erlebnis, das in physischen Venues so nicht möglich wäre.
* **Spatial Disk:** Dieser neue Dienst bietet exklusive Performances über eine Smartphone- und Meta Quest-Anwendung. Der Fokus liegt darauf, Zuschauer tiefer in die Darbietung des Künstlers einzubinden. Aktuell sind die Inhalte noch begrenzt und preisintensiv, wie eine 6-minütige Performance von KAF für etwa 11 US-Dollar zeigt.
* **VR Mode:** Neben VR-Konzertvideos bietet VR Mode auch Livestreams und Originalvideos mit Idols und anderen Künstlern, die in VR aufgenommen wurden. Hier können Fans beispielsweise ungezwungene Chats zwischen Mitgliedern einer Gruppe ‚miterleben‘, was eine einzigartige Nähe schafft und die emotionale Bindung zum Künstler fördert.
* **Kyun Tube:** Konami entwickelt Kyun Tube, eine Plattform, die sich auf kleinere Idol-Gruppen (‚Chika Idols‘) konzentriert. Der Dienst bietet eine umfangreiche Bibliothek an Originalinhalten mit einem 270-Grad-Sichtfeld in VR und ist auch auf Mobilgeräten verfügbar. Die Inhalte sind in Kategorien unterteilt: Quuun Stage (Livehouse-Performances), Quuun Stage 2 (Original-Performances in einzigartigen Sets), Quuun Labo (experimentelle Inhalte mit Zuschauerinteraktion) und Quuun Channel (Kurzdramen aus der POV-Perspektive).
### Die Besonderheit der ‚Chika Idols‘
Das Verständnis von Kyun Tube erfordert einen Blick auf die ‚Chika Idols‘ – Underground-Performer, die oft ohne große Labels in kleinen Live-Häusern auftreten. Im Gegensatz zu den perfektionierten K-Pop-Idols liegt der Reiz japanischer Idols oft darin, ihren Weg zur Verbesserung zu verfolgen und zu unterstützen. Die Fans dieser kleineren Gruppen, oft eine engagierte Hardcore-Basis, finanzieren die Künstler durch starke emotionale und finanzielle Unterstützung. Diese parasoziale Bindung wird durch Angebote wie gemeinsame Fotos oder Handshakes nach Auftritten weiter gefördert.
### Kritik und Potenzial von Kyun Tube
Obwohl Kyun Tube das Potenzial hat, kleineren Idols eine größere Bühne zu bieten und die Kernmechanismen der japanischen Fan-Künstler-Bindung in VR zu übersetzen (z.B. durch ein Belohnungssystem mit speziellen Videos und virtuellen Sammelkarten), gibt es auch Kritikpunkte.
Besonders die POV-Dramen werfen Fragen auf. Einige Szenarien, wie die Interaktion mit einem verlorenen Kind oder einer als Katze verkleideten Idol, die einen streunenden Kater (den Spieler) adoptiert, nutzen eine suggestive Darstellung, die Bedenken hinsichtlich der angesprochenen ‚Fantasien‘ weckt. Zudem gibt es technische Mängel bei der 270-Grad-Ansicht, die durch störende schwarze Balken und erzwungene, desorientierende Kameraschnitte die Videoqualität beeinträchtigen.
### Fazit
Die japanische Idol-Branche zeigt, wie VR eingesetzt werden kann, um eine neue Dimension der Fan-Interaktion zu schaffen und Künstlern eine Plattform zu bieten. Von virtuellen Festivals bis hin zu immersiven Performance-Apps wird die Technologie genutzt, um die Bindung zwischen Fans und Idols zu stärken. Es ist jedoch entscheidend, dass Unternehmen wie Konami bei der Entwicklung solcher Dienste sorgfältig mit ethischen Überlegungen und der Qualität der Inhalte umgehen, damit diese Technologie von einem breiteren Publikum positiv aufgenommen wird und ihr volles Potenzial entfalten kann.